Karte von Groß-Peterwitz von 1726 entdeckt.
(überraschender Fund im Brünner Archiv.)
Link zum Orginalbild im GP Archiv
Erläuterungen und historische Bewertung von Paul Kletzka
Vorwort – Einleitung
Bruno Stojer, Mathematiklehrer auf dem Peterwitzer Gymnasium (vergleichbar mit einer deutschen Mittelschule),
Sohn des in Peterwitz als Holzschnitzer bekannten Paul Steuer, befasst sich seit geraumer Zeit mit Fragen der Ortsgeschichte unseres Heimatortes Groß-Peterwitz. Im Jahre 2009 verfaßte er ein Buch über Schammerwitz (Samborowice). Auf der Suche nach historischen Unterlagen führte ihn die Reise am 07.10.2009 in das „Archiv des Mährischen Landes„ nach Brünn (Moravskỷ Zemskỷ Archiv Brno). Zu seiner großen Überraschung waren die Nachforschungen dieses Mal ein voller Erfolg. In der Inventarliste des Archivs fand er in tschechischer Sprache folgende Eintragung: „Karte des Gutes Groß-Peterwitz mit Pobiehof mit farbig gezeichneten Lehen, das zum Herzogtum Jägerndorf und zur Markgrafschaft Mähren wie auch zum Herzogtum Ratibor/Oppeln im Gut Pobiehof gehört. Orig., 62 x 80 cm, farbig, deutsch.“
Das danach zum Vorschein kommende Dokument, eine handgezeichnete und von Hand beschriftete und kolorierte Karte entpuppte sich als eine historische Rarität. Die Karte zeigt die gesamte Flurgemarkung von Groß-Peterwitz nach dem Stand von 1726. Stojer, der in Brünn eifrig eine Reihe von Fotoaufnahmen der einzelnen Kartenteile gemacht hatte, musste daheim jedoch feststellen daß eine Gesamtübersicht fehlte und es schwierig wurde, die einzelnen Kartenteile zusammenzufügen. Das Brünner Archiv schickte ihm daraufhin den Gesamtplan, gespeichert auf einer CD. So ist eine Widergabe des Planes und eine Vervielfältigung per PC unproblematisch geworden.
Planbeschreibung
Das fast 280 Jahre alte Kartenwerk ist nicht genordet wie es üblich ist, sondern zeigt nach Süden als wenn man mit dem Helikopter vom Nachbarort Stolzmütz nach Süden über Peterwitz fliegen würde. Oben auf der Karte, also im Süden, finden wir die Nachbardörfer Janowitz, Schammerwitz und Ratsch, und im Norden, auf der Karte unten, liegen Kornitz, Makau und Stolzmütz. Obwohl die Karte unmaßstäblich ist, ist sie aufgrund der Kolorierung sehr aussagekräftig und führt zu neuen, bisher unbekannten Erkenntnissen. Sie stellt den Zustand der Flurteile dar, wie sie 1726 zu Groß-Peterwitz gehörten, darunter auch das Vorwerk Pobiehof mit seiner Gewann auf der Ostseite der Zinna, das im Jahre1558 vom Rittergut Kornitz abgetrennt und zu Groß-Peterwitz geschlagen worden war.
Die Karte ist in gotischer Frakturschrift in Deutsch beschriftet, hat am rechten oberen Rand eine Bestätigungsklausel mit Unterschiften, in der linken unteren Ecke eine Erklärung der Farben und in der rechten unteren Ecke eine Erklärung der Nummern. Sprachlich weichen die Texte oft von der heute gebräuchlichen deutschen Schreibweise und Bedeutung ab (z.B. Weeg – Weg).
In der Bestätigungs- oder Aprobationsklausel beurkunden und bestätigen die am Ende Unterzeichneten sinngemäß, dass dieser Abriss (Plan) das Gut Groß-Petrowitz und Pobiehof des Otto Graf Schrattenbach darstellt sowie die Lage der Allodialäcker, die zum Fürstentum Jägerndorf gehören als auch die Lehensäcker und Wohngebäude, die der Markgrafschaft Mähren gehören samt dem Gut Pobiehof, das dem Herzogtum Ratibor/Oppeln gehört und durch den Fluß Lzian (Zinna) getrennt ist, alle wahrhaft dargestellt sind ...Für die Beglaubigung dessen haben wir das Siegel angelegt und eigenhändig unterschrieben.
Geschehen zu Katscher den 22. Januar des Jahres 1726.
Braumeister Anton Patter
Ältester von Katscher
Carolus Josephus Heißler
Bürgermeister
Michael Bartk: Klotz
Vereidigter
Notar Löb.(Leobschütz)
Wir sehen, dass es sich um ein echtes Dokument handelt und erfahren, dass Groß-Peterwitz damals Otto Graf Schrattenbach gehörte. Er hatte es 1722 bei einer Versteigerung erworben.
Zur Erklärung der Nummern:
In der Mitte der Flurgemarkung liegt als Nr. 1 das Dorf. Mit seiner ovalen, fast lanzettartigen Form zeigt es die typische Form eines planmäßig angelegten Angerdorfes mit seiner Kirche und dem am südöstlichen Rand liegenden herrschaftlichen Schloss. Darüber finden wir eine Aufschrift „Zügl. Scheuer), ein Hinweis, dass dort früher eine Feldziegelei war.
Von den Dorfenden führen Wege, auf der Karte gelb eingezeichnet, zu den Nachbarorten. Im Osten der „Ratiborer Weeg“ über „Kornitzer 6 Heißl“ (Sechshäuser), im Südwesten der „Ratscher Weeg“, der an der Kirche „H. Creutz“ (Kreuzkirche 1667 erbaut) nach Ratsch führt, im Westen der „Katscher Weeg“ und nach Norden der „Stolzmützer Weeg“. Alle Wege waren damals noch unbefestigt. Es fehlt die Zauditzer Straße (heute ul. Mickiewicza) mit der Steinernen Brücke über den Trojafluß. Der Weg, der über die Steinerne Brücke nach Klein-Peterwitz (Petraszyn) und Zauditz (Sudzice) führt, war mit Sicherheit damals schon vorhanden, denn auf anderen historischen Karten aus der gleichen Zeit sind sowohl Weg als auch Brücke bereits eingetragen. Ferner lag ein Teil der Peterwitzer Trojawiesen hinter dem Fluß und wäre ohne Brücke nicht zu erreichen gewesen. Die dortige Grenze verlief entlang eines Grabens, den wir als Kinder beim herbstlichen Ziegen- und Gänsehüten „Trzebońka“ nannten. Es war ein Entwässerungsgraben, der von Thröm (Trzebom - Trzeboń) kommend kurz vor der Steinernen Brücke in die Troja mündete.
Die Nummern 2,3,4,5 und 6 bezeichnen die Flußauen an der Zinna (Psina), die hier Lzian genannt wird, sowie an der Troja, hier Ratscher Bach oder Katscherer Wasser genannt. Der Zinnafluß hat die Nr. 7 und die Troja die Nr. 8. Die Nr. 9 stellt die diesseits der Troja liegenden Schammerwitzer Wiesen dar.
An den rot gekennzeichneten Grenzen der Gemarkung sind in stilisierter, schematisch gehaltener Form die Nachbardörfer eingezeichnet. Im Süden (oben) Janowwitz mit einer Kirche, Schammerwitz mit einem Schloss und im Südwesten das Dorf Ratsch. Im Norden (unten) die Dörfer Makau (mit Kirche) und Stolzmütz.
Zur Erklärung der Farben:
Wie wir wissen, gehörten sei jeher etwa ⅔ der alten Gemarkungsfläche von Groß-Peterwitz als Lehen zur mährischen Diözese Olmütz und zu ⅓ zum schlesischen Herzogtum Jägerndorf. Zur Unterscheidung der Lehnszugehörigkeit sind die Flurstücke farbig abgesetzt. Aus der Erklärung der Farben erfahren wir:
- Rot sind die mährischen Feudaläcker einschließlich der obrigkeitlichen Feudaläcker
- Grün angelegt sind die Felder, die zum Jägerndorfer obrigkeitlichen als auch untertänigem Allodial gehören.
- Dunkelrot und hellgrün gekennzeichnet sind die drei oberen Zinsfelder, die je zur Hälfte zu Mähren und Jägerndorf gehörten.
- Blau angelegte Felder und Äcker gehören innerhalb des Lehens zum Pfarrhof und zur Schule.
Auch die Zugehörigkeit der Häuser im Ort ist so farbig gekennzeichnet. Das Ganze ergibt ein buntes Bild, bei dem aber die rote Farbe, also der mährische Teil, eindeutig überwiegt. Die Felder (Flurstücke) im Süden und Norden des Dorfes bis zu einer Linie, die etwa der Lage der Kreuzkirche entspricht, verlaufen in Nord-Süd-Richtung. Die restlichen Felder im Westen, haben einen diagonalen Verlauf von Nordost nach Südwest.
Die Bewirtschaftung der Felder erfolgte damals nach dem Prinzip der sogenannten Dreifelder-Wirtschaft: Wintersaat, Frühjahrssaat und Brache. Im Jahre 1726, als die Karte gezeichnet wurde, galt folgende Regelung: Im Norden die „Winter Saat“, im Westen die „Früh Jahr/Saat“ und im Süden die „Broch Acker/Felder“. Erst die Erfindung des Kunstdüngers im 19. Jh. führte zu einem Wechsel der Bewirtschaftung und zur intensiveren Nutzung der Felder. Die Dreifelderwirtschaft war auch der Grund dafür, dass die Peterwitzer Bauern ihre Felder verstreut in allen drei Lagen hatten.
Interessant auf der Karte ist der rot gekennzeichnete Grenzverlauf der alten Peterwitzer Gemarkung vor dem Zugewinn von Pobiehof im Jahre 1558, Bezeichnung: „Pobiehoff Allodial Felder/ in das Fürstenthum Oppel gehörig“ Bis 1558 gehörte es zum Rittergut Kornitz.
Die Feldgemarkung Groß-Petwitz hat eine Dreiecksform, deren Spitze in Richtung Katscher zeigt und deren Basis die meanderförmig verlaufende Zinna im Osten (links) bildet. Die Zinna als linker Nebenfluß der Oder kommt von Stolzmütz im Norden (unten) und verläuft zwischen Janowitz und Schammerwitz nach Süden (oben). Links davon (im Osten) bildet das ebenfalls zu Peterwitz gehörende Areal des Vorwerks Pobiehof ein kleineres Dreieck in östlicher Richtung.
Bisher war man stets der Meinung, dass die Zinna (Psina) die Grenze zwischen den Diözesen Olmütz und Breslau bildete und zugleich Sprachengrenze war. Die Karte zeigt aber, dass wir diese Meinung ein wenig korrigieren müssen. Denn die Grenze zwischen dem Vorwerksgebiet Pobiehof und der Peterwitzer Gemarkung lag nicht unmittelbar am Fluß sondern umfasste noch Wiesen auf der Ostseite des Flusses, die mit der Nr. 2 gekennzeichnet sind.
In der Erklärung heißt es unter Nr. 2: “Die Lehnsobrigkeit jenseits des Zinnaflusses bis zu den an der mährischen Grenze gelegenen Wiesen, die jetzt als Hutung genutzt werden.“ Die mit Nr. 3 gekennzeichneten, zwischen der Zinna und dem Mühlbach gelegenen Wiesen heißt es: „Strittige, zum Lehen gehörige Wiesen“.
Wenn man heute auf die katasteramtlichen Grundkarten von Groß-Peterwitz schaut, bemerkt man, dass auf dem Wiesengelände östlich der Zinna ein Grabensystem eingetragen ist dessen Haupt- oder Sammelgraben in südlicher Richtung parallel zur Zinna verläuft, wo früher einst Teiche waren. Der Flurname „Stawy“, also Teiche ist bis heute geläufig. Es besteht daher der Grund zur Annahme, dass dieser Sammelgraben zwischen der Zinna und dem Weg nach Janowitz (heute Janowitzer Straße) früher die Grenze zwischen den Gemarkungen von Groß-Peterwitz und Kornitz (Pobiehof) bildete. Feststellen könnte man dies nur anhand der Eintragungen in den alten, noch vorhandenen Grundbüchern von Gtroß-Peterwitz, die drei Teile kennt: den mährischen, den schlesischen und den Pobiehofer Anteil.
Auffallend ist der Verlauf des Mühlbaches. Gleich hinter der Mühle knickt er rechtwinklig zur Zinna ab und erreicht sie noch vor der Furt, die hier in Höhe der Sandstraße (ul. Konopnickiej) in Richtung Ratibor führte. Die Brücke in der Mühlenstraße gab es noch nicht und der Verlauf des Mühlbaches, wie wir ihn aus unserer Kindheit kennen, wurde erst mit dem Bau der Eisenbahnstrecke Ratibor-Leobschütz, eröffnet am 1, Oktober 1856, geschaffen. Die strittigen Wiesen Nr. 3 waren nur durch die Zinna zu erreichen.
Einige Nummern kommen mehrfach vor. So finden wir die Nr. 4 auf den Wiesen entlang der Zinna als auch im äußersten oberen Winkel an der Troja. Es handelt sich hier um Wiesen die beiden Lehensgebern gehörten und von der Allgemeinheit genutzt wurden (sog. Allmende oder Społek).
Auch die Nr. 5 finden wir mehrfach. Einmal ist es ein Dreieck von feuchten Wiesen unter Makau, dann die Trojawiesen, die wir als Kinder „Huczki“ genannt haben und die ebenfalls als feucht bekannten Trojawiesen westlich der Kreuzkirche. Sie gehörten beiden Lehnsherrn. Das Areal unter Makau hieß „Krautfelder“ und das hinter der Kreuzkirche „Krautgärten“. Die Namen besagen, dass dort früher Kraut angebaut wurde.
Mährisch oder deutsch - des Rätsels Lösung?
Will man ein Resümee aus den Darstellungen der Karte ziehen, so bleibt nur ein Fazit. Die Streuung der Farben auf der Karte zeigt eine Gemengelage, die ein System der Zugehörigkeit zu den jeweiligen Lehen nicht erkennen läst. Bevor ich 1994 das Buch „Groß-Peterwitz – ein Dorf im Wechsel der Geschichte“ herausgab, hatte ich versucht anhand meiner Unterlagen, die Gliederung der Lehnsanteile von Groß-Peterwitz systematisch zu ergründen. Trotz allergrößter Mühen, es ist mir nicht gelungen.
Das gleiche versuchte in Ratibor mein ebenfalls aus Groß-Peterwitz stammender Freund Paul Newerla, der in Ratibor als ein versierter Lokalhistoriker bekannt ist, mehrere Veröffentlichungen über Ratibor und Groß-Peterwitz verfasst hat und im Jahre 2009 zur 900-Jahrfeier von Ratibor ein dickes Buch über Ratibor und seine Stadtteile herausgegeben hat. Obwohl er als Jurist Einsicht in die Grundbücher hatte, scheiterte auch er an der gleichen Aufgabe.
So gibt es für mich nur eine Erklärung. Sie führt zurück in die Zeit der Besiedlung im 12. und 13. Jahrhundert. Bei der planmäßigen Anlegung eines Dorfes nach flämischem oder deutschem Recht konnte es vorkommen, daß zwei Lehnsherrn gleichzeitig den Vasall (Ritter) beauftragten, die Zuteilung der einzelnen Hufen nach der Reihenfolge der ankommenden Siedler vorzunehmen. Die Lehnsherrn waren zum einen die Markgrafschaft Mähren und die mährische Kirche sowie der deutsch/schlesische Herzog von Jägerndorf (Krnów). Wir wissen, dass es damals in unserem Raum Siedler sowohl mährischer als auch deutscher Herkunft gab.
Nur so ist es zu erklären, dass neben Siedlern mit mährisch klingendem Namen, Siedler deutscher Herkunft angesiedelt wurden, jeder im Namen seines mährischen oder deutsch/schlesischen Lehnsherrn. Im Ergebnis haben wir ein Dorf, das zu zwei Dritteln slawisch-mährische Namen trägt und zu einem Drittel deutsch klingende Namen, was der Zusammensetzung der Peterwitzer Bevölkerung vor dem Zweiten Weltkrieg entspricht (s. Paul Kletzka –„Groß-Peterwitz – ein Dorf im Wechsel der Geschichte“ Ausgabe 1994, Maximilian Kolbe Verlag S. 252 u. 265). Eine andere Erklärung dieses Phänomens ist nicht erkennbar.
/Paul Kletzka/
im April 2010